Bützfleth, St. Nicolai

Orgel der Gebr. Hillebrand (1985/86) im Gehäuse von Johann Werner Klapmeyer (1719)

Navigation: Kirchstr. 10, 21683 Stade-Bützfleth

Johann Werner Klapmeyer aus Glückstadt stellt im Jahr 1719 eine große Orgel fertig – gebaut in der Tradition der Schnitger-Schule. Johann Werner Klapmeyer ist vermutlich Schnitgers Geselle und arbeitet längere Zeit bei ihm. Er gehört jedenfalls zu den frühesten Gehilfen Schnitgers. In Krempe (Holstein) nahe Glückstadt heiratet er 1687 und arbeitet schließlich auch von dort aus. Nach Glückstadt siedelt er 1703 über und stirbt dort wohl 1720.

Das Instrument muss 1901 einem Neubau weichen, das dem Geschmack der Zeit verpflichtet ist. Lediglich das Gehäuse der Barockorgel bleibt erhalten. Nachdem die spätromantische Orgel 1946 im Sinne der „Orgelbewegung“ (neobarocke Reformbewegung im Orgelbau, heute als falsche Richtung angesehen) verändert wird, versagt sie nach und nach in ihrer Funktion.

Ein Orgelneubau im Sinne Klapmeyers unter Verwendung des historischen Gehäuses wird von der Orgelwerkstatt Hillebrand 1986 fertiggestellt. Ihr barocker Klang passt sehr gut in die tragende, edle Akustik des Kirchraums, der seine heutige Gestalt sowie den Altar 1770 erhält. Die Kanzel von 1671 und das Wandkreuz aus dem 13. Jahrhundert werden hingegen übernommen.


Anm.: originale Schreibweise der Register in der Einheit Fuß (’).
Anzahl der Pfeifenreihen gemischter Stimmen: z. B. 3fach (3f.).

Disposition:

(22 / HW/BW/ Ped)

Hauptwerk

Brustwerk

Pedal

 

Principal (ab D)

Rohrflöte

Oktave

Nasat

Oktave

Sesquialtera

Mixtur

Zimbel

Trompete

8’

8’

4’

3’

2’

2f.

4f.

2f.

8’

 

Gedackt

Hohlflöte

Oktave

Quinte

Sesquialtera

Scharff

8’

4’

2’

11/3

2f.

3f.

 

Subbaß

Prinzipal

Oktave

Mixtur

Posaune

Trompete

Cornett

16’

8’

4’

4f.

16’

8’

2’

 


Technische Angaben:

 

Manualumfänge:

Pedalumfang:

Winddruck:

Tonhöhe:

Stimmung:

Koppeln:

Gehäuse:

Tremulant

Zimbelstern

CDE – d’’’

CDE – d’

76 mmWS

normal

nach Werkmeister III

Manualkoppel, Pedalkoppel I

von Johann Werner Klapmeyer/Krempe


Bau-/Restaurierungsgeschichte

1600

In der Kirche in Bützfleth existiert bereits vor 1600 eine Orgel. Im Zusammenhang mit Reparaturen und Umbauten werden die Orgelbauer Matthias Mahn und Antonius Moitzen aus Buxtehude genannt, weiterhin auch Tobias Brunner aus Lunden (Dithmarschen) und Joachim Richborn aus Hamburg.

 

 

170319

Die Gemeinde Bützfleth schließt am 21. November 1703 einen Vertrag über den Neubau einer Orgel mit Johann Werner Klapmeyer aus Glückstadt ab. Über den Vertrag zum Bau der Orgel in Bützfleth gibt es Streit mit Arp Schnitger, der sich gegen diesen Vertrag wehrt, da er das Orgelbauerprivileg in dieser Region (ehemalige Herzogtümer Bremen-Verden) besitzt. Allerdings kann Klapmeyer diesen Neubau ausführen und stellt das Instrument 1719 fertig. Außer dem Streit mit Schnitger sind wohl auch die unruhigen Zeiten durch die Auseinandersetzungen der Schweden und Dänen in der Region Stades Schuld daran, dass Klapmeyer für den Bau der Orgel so viel Zeit benötigt. Für seine Arbeit wird Klapmeyer mit insgesamt 4650 Mark entlohnt. Ein nicht bekannter Bildschnitzer aus Glückstadt bekommt 120 Mark Lübisch (Lübische Mark = vereinheitlichende Münzregelung der Hansestädte ab 1502) für die geschnitzten Ohren. Die Orgel, in der neun Register aus der Vorgängerorgel weiterhin Verwendung finden, hat folgende Disposition:


Disposition:

(originale Schreibweise)

Hauptwerk

Brustwerk

Pedal

 

Principahl

Quintadena

Gedackt

Octav

Nasat Quint

Octav

Sex Quialter

Mixtur

Zimbel

Tromet

8’

16’

8’

4’

3’

2’

2f.

5f.

2f.

8’

 

 

*

Quinta D(iskant)

Hohlflöht

Sex Quialter

Nasat

Octav

Scharfes

8’

4’

(2f.)

11/2

2’

3f.

 

Prinzipahl

Untersatz

Octav

Mixtur

Posaun

Tromet

Cornet

8’

16’

4’

4f.

16’

8’

2’

 


Pfeifenwerk:

 

*

=

beim Bau hinzugefügt

Quintadena 16’ ist im Kostenanschlag nicht aufgeführt

 


Technische Angaben:

 

Manualumfang:

Pedalumfang:

Koppeln:

Tremulant

5 Bälge

C(DE) – c’’’

CDE – d’

Manualkoppel

 


1724


Der Sohn Klapmeyers, Johann Heinrich (Glückstadt) führt eine Reparatur an der Orgel durch.

 

 

1753

Weiterhin wird die Bützflether Orgel durch Stader Orgelbauer gepflegt und repariert. Dietrich Christoph Gloger arbeitet an der Orgel.

 

 

1794/95

Auch der Orgelbauer Georg Wilhelm Wilhelmy arbeitet an der Orgel. Auf die letzte Baumaßnahme – bei der Wilhelmy wie an vielen anderen Orgeln Akkordglocken einbaut – bezieht sich eine Inschrift an der Schauseite der Orgel.

 

 

1901

Die Bützflether Orgel wird dem Zeitgeschmack entsprechend für ein neues Orgelwerk „geopfert“, da die Wertschätzung alter Orgeln und der Wunsch sie zu erhalten erst später aufkommt. Die Firma Furtwängler & Hammer baut in dem veränderten, alten Gehäuse ein gänzlich neues Orgelwerk mit pneumatischen Kegelladen und 19 Registern auf zwei Manualen und Pedal sowie verschiedene Spielhilfen ein. Die Prospektpfeifen bleiben zunächst als stumme Pfeifenfront erhalten. Die Disposition der Furtwängler & Hammer-Orgel lautet:


Disposition:

(originale Schreibweise)

I. Manual

II. Manual

Pedal

 

Bordun

Prinzipal

Gamba

Hohlflöte

Octave

Rohrflöte

Mixtur

Trompete

Dolce

16’

8’

8’

8’

4’

4’

2, 3, 4f.

8’

8’

 

Geigen Prinzipal

Harmonieflöte

Aeoline

Lieblich Gedackt

Spitzflöte

8’

4’

8’

8’

4’

 

Violon

Subbaß

Principalbaß

Cello

Posaune

16’

16’

8’

8’

16’

 


Technische Angaben:

 

Manualumfänge:

Pedalumfang:

Koppeln:
Druckknöpfe für:

Jalousieschweller:

Kegelladen:

C – f’’’

C – d’

Manual-, Pedal-, Oktavkoppel I. Man und II. Man, Kalkant

Tutti, Forte, Mezzoforte, Piano, Handregistratur

für II. Manual (mit Zeiger)

pneumatisch

 


1917


Da die Prospektpfeifen aus Zinn sind, müssen sie für Kriegszwecke abgegeben werden. Sie werden später nach dem Krieg durch Zinkpfeifen ersetzt.

 

 

1946

Diese Orgel wird im Zusammenhang mit der Abstützung des Dachreiters und der erneuten Vergrößerung der Orgelempore um ca. zwei Meter vorverlegt. Es erfolgt eine Veränderung der Disposition durch die Firma Hammer (Hannover). Eine Überholung der Orgel ist auch notwendig, weil die Pneumatik der Orgel nicht störungsfrei funktioniert. Bemerkenswert ist jedoch, dass bei der Dispositionsveränderung zumeist nicht neue Register gefertigt werden, sondern Cello 8’ zu Choralbass 4’, Geigenprinzipal 8’ zu Prinzipal 2’, Aeoline 8’ zu Quinte 11/3’, Gamba 8’ zu Quinte 22/3’, Dolce 8’ zu Waldflöte 2’ umgestellt und durch wenige neue Pfeifen ergänzt werden.

Die Furtwängler & Hammer-Orgel von 1901 ist ein in sich geschlossener, der Romantik verpflichteter Klangkörper, weshalb auf diese Weise der Umdisponierung kein homogener, neuer Klang entstehen kann. Die Orgel besitzt nun folgende, neobarocke Disposition:


Disposition:

(originale Schreibweise)

I. Manual

II. Manual

Pedal

 

Prinzipal

Bordun

Hohlflöte

Octave

Rohrflöte

Quinte

Waldflöte

Mixtur

Trompete

8’

16’

8’

4’

4’

22/3

2’

4f.

8’

 

Lieblich Gedackt

Spitzflöte

Prinzipal

Quinte

Terzian

8’

4’

2’

11/3

2f.

 

Subbaß

Prinzipalbaß

Choralbaß

Blockflöte

Posaune

16’

8’

4’

2’

16’

 


Technische Angaben:

 

Manualumfang:

Pedalumfang:

Winddruck:

Tonhöhe:

Stimmung:

Nebenregister/Koppeln:
Spielhilfen:

Windsystem:

Windladen:

Spieltraktur:

Regierwerk:

1 großer Magazinfaltenbalg

1 Ausgleichsbalg

C – f’’’

C – d’

85mmWS

normal (a’ = 440 Hz)

gleichschwebend

Man I/Ped, Man II/Ped, Oberoktavkoppel I (bis g’) und II

Knöpfe für Tutti, Forte, Mezzoforte, Piano, Handregister

Gebläse Ventus

Kegelladen

pneumatisch

pneumatisch

 


1976


Es werden zunehmend Mängel an der Orgel festgestellt, weshalb Planungen beginnen, die Orgel durch einen Neubau hinter dem Denkmalprospekt zu ersetzen. Die Firma Gebr. Hillebrand (Altwarmbüchen) baut die neue Orgel.

 

 

1986

Fertigstellung des Neubaus durch die Firma Gebr. Hillebrand (Altwarmbüchen). Dabei wird das alte Gehäuse wieder in seine ursprüngliche Form zurückgebracht und ein neues Instrument gebaut, dessen Konzept an das von Klapmeyer angelehnt ist.

 

 

1997

Die Orgel muss für eine umfangreiche Kirchenrestaurierung abgebaut werden.

 

 

2001

Eine veränderte Neuaufstellung der Orgel nach Beendigung der Kirchensanierung wird ebenfalls durch die Firma Orgelbau Gebr. Hillebrand (Altwarmbüchen) durchgeführt.

 

 

2002

Die Orgel – in der Orgelbauwerkstatt Hillebrand eingelagert – wird in der ersten Jahreshälfte von 2002 wieder eingebaut.

 


(Stand 04.02.2022; Literatur und Quellen: Golon, Peter: Historische Orgeln im Landkreis Stade, Stade 1983; Orgelakten der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannover, Akten des Orgelsachverständigen Martin Böcker (Stade)