Wittmund, St. Nicolai

Orgel von Alfred Führer (198184) im historischen Gehäuse von Hinrich Just Müller (1775/76)

Navigation: Am Kirchplatz 2, 26409 Wittmund

Der prächtige spätbarocke Prospekt (die künstlerische, verzierte Vorderseite der Orgel) der Wittmunder Orgel in der St.-Nicolai-Kirche zeigt die typische siebenteilige Gliederung, wie sie beispielsweise auch bei den Müller-Orgeln in Remels, Manslagt und Engerhafe zu finden ist.

Beim Neubau der Orgel sind die technische Anlage und die Disposition der Manualwerke so weit durch das historische Gehäuse und die ebenfalls originalen Windladen vorbestimmt, dass es praktisch zu einer Rekonstruktion kommt. Auffallend ist bei der Disposition die Vielfalt der Zungenregister und die bei Müller sonst noch nicht zu findende Viola di Gamba.

Historisches Pfeifenwerk, wahrscheinlich sogar von Schnitger, findet sich nur noch in den Registern Gedackt 8 (Brustwerk, fast alle Pfeifen) und Rohrflöte 8 (Hauptwerk, wenige Pfeifen). Durch das zusätzliche Pedalwerk ist die Orgel für die heutige Praxis wesentlich vielseitiger verwendbar.


Anm.:
originale Schreibweise der Register in der Einheit Fuß (’).
Anzahl der Pfeifenreihen gemischter Stimmen: z. B. 3fach (3f.).

Disposition:

(25 / HW/BW/Ped)

Hauptwerk

Brustwerk

Pedal

 

Principal

Bordun

Viola di Gamba

Rohrflöte

Oktave

Spitzflöte

Oktave

Sesquialtera

Mixtur

Vox humana

Dulcian

Trompete

8

16

8

8

4

4

2

2f.

3f. 1

8

16

8

 

P, n

n

n

n

n

n

n

n

n

n

n *

n *

Gedackt

Flöte

Nasard

Gemshorn

Scharff

Oboe

Schalmey

8

4

3

2

3f. 1/2

8

4

 

#

n

n

n

n

n

n

Subbass

Oktave

Oktave

Mixtur

Posaune

Trompete

16

8

4

4f. 2

16

8

 

n

n

n

n

n

n

 


Pfeifenwerk:

 

*

#

o

n

=

=

=

=

B/D

1684/1685

1775/1776

1981–1984

Bass und Diskant


Arp Schnitger

Hinrich Just Müller (original)

Alfred Führer (neu)

 


Technische Angaben:

 

Manualumfang:

Pedalumfang:

Winddruck:

Stimmung:

Koppeln:

Gehäuse:

Cimbelsterne:

Tremulant

C – e'''

C – f'

75mmWS

wohltemperiert (1/6 Komma)

Manualschiebekoppel, Pedalkoppel

o

o


Bau-/Restaurierungsgeschichte

1636

Erste Erwähnung einer Orgel im Osten vor dem Chor der Kirche.

 

 

1663

Die Orgel soll durch Johannes Pauly (Oldersum) ein neues, selbständiges Pedal mit drei Registern und drei neue Spanbälge erhalten.

 

 

1684/85

Neubau der Orgel durch Arp Schnitger (Hamburg) „met 2 claviren en een vry pedaal“, nachdem und obwohl zunächst ein Kontrakt mit Joachim Kayser (Jever) geschlossen ist.

 

 

1705

Einbau einer Posaune 16 durch Johann Lübben (Jever).

 

 

1747

Zwei neue Zimbelsterne werden von Johann Friedrich Constabel (Wittmund) verfertigt.

 

 

1775/76

Neubau der Kirche. Gleichzeitig baut Hinrich Just Müller (Wittmund) unter Verwendung des alten Pfeifenwerks und der Brustwerkswindlade eine neue Orgel mit zwei Manualen und angehängtem Pedal und stellt sie in der neuen Kirche auf der Westempore auf.

 

 

1882

Umbau durch Johann Martin Schmid (Oldenburg) mit Dispositionsveränderungen (zwei alte Register werden gegen neue ausgetauscht und ein Pedalwerk mit zwei Registern hinzugefügt).

 

 

1936

Durchgreifender Umbau durch Alfred Führer (Wilhelmshaven) mit der Verlegung des Brustwerks nach hinten in einen Schwellkasten. Der Prospektprinzipal wird aus Kupfer neu gebaut. Historische Pfeifen sind nur noch in zwei Brustwerksregistern erhalten. Die Orgel hat nun 28 Register in Hauptwerk (elf), Schwellwerk (neun) und Pedal (acht).

 

 

198184

Neubau im historischen Gehäuse von 1775/1776 durch die Werkstatt Alfred Führer (Wilhelmshaven) – Leitung Fritz Schild – unter Wiederverwendung aller noch vorhandenen weiteren historischen Teile (Windladen und Pfeifen) in starker Anlehnung an vergleichbare Müller-Orgeln mit dem Ziel einer weitgehenden Rekonstruktion des Zustands von 1776 mit zusätzlichem selbständigen Pedal (hintergestellt).

 


(Stand 22.05.2020; Literatur und Quellen: Reinhard Ruge)