Oederquart, St. Johannis

Orgel von Rowan West (2017) im Schnitger-Gehäuse von 1682

Navigation: Süderende 5, 21734 Oederquart

Die St.-Johannis-Kirche in Oederquart entsteht aus einem Backsteinbau aus dem 14. Jahrhundert. Aus dieser Zeit stammen auch Altar und Taufbecken und die Kanzel wird auf das Jahr 1695 datiert. Die Orgel der Kirche wird von 1678 bis 1682 von Arp Schnitger erbaut, der bei seinem Neubau Teile der Vorgängerorgel von Hans Christoph Frietzsch (1652) übernimmt. Johann Daniel Busch baut 1781 ein selbstständiges Pedal hinzu.

Es erfolgt 1864/1865 ein durchgreifender Umbau durch Johann Hinrich Röver (Stade), der zum Verlust der Schnitgerschen Pfeifen bis auf die sichtbaren Prospektpfeifen führt. Diese Prospektpfeifen aus Zinn entgehen im Ersten Weltkrieg durch einen glücklichen Umstand der Abgabe für Kriegszwecke, die an vielen anderen Orten erfolgen muss.

Die Firma Gebr. Hillebrand baut 1971 hinter dem Prospekt (der künstlerischen, verzierten Vorderseite der Orgel) von Schnitger/Busch unter Einbeziehung der Prospektpfeifen eine Orgel im neobarocken Stil auf Hauptwerk und Rückpositiv mit zwölf Registern, die aber dem optischen Eindruck der Orgel in keiner Weise gerecht wird.

Die Qualität der noch vorhandenen Substanz und die Bedeutung der Orgel führen zur Entscheidung für eine Restaurierung und Rekonstruktion der ursprünglichen Schnitger-Orgel. So erfolgt in drei großen Bauabschnitten (2014, 2015 und 2016/2017) die Wiederherstellung der schnitgerschen Orgeldisposition durch die Orgelbauwerkstatt Rowan West (Ahrweiler). Die Schnitger/West-Orgel besitzt nun wieder 28 Register auf Hauptwerk, Brustwerk, Rückpositiv und Pedal. Die Orgel wird Ostern 2017 wieder eingeweiht.


Anm.:
originale Schreibweise der Register in der Einheit Fuß (’).
Anzahl der Pfeifenreihen gemischter Stimmen: z. B. 3fach (3f.).

Ursprüngliche Disposition:

(28 / HW/RP/BW/Pedal)

Hauptwerk CDEFGA c’’’

Rückpositiv CDEFGA c’’’

Brustwerk CDEFGA c’’’

 

PRINCIPAL

QUINTADEHN

GEDACT

OCTAVE

GEDACT

NASAT

OCTAVE

GEMSHORN

RAUSCHPFEIF

MIXTUR

TROMET

8’

16’

8’

4’

4’

3’

2’

2’

2f.

4–5f.

8’

 

S/W

W

W

W

W **

W

W

W *

W *

W **

W **

PRINCIPAL

GEDACT

OCTAVE

SESQUIALT

MIXTUR

DULCIAN

SCHALMEY

4’

8’

2’

2f.

4f.

8’

4’

 

S/W **

W **

W **

W **

W **

W **

W **

GEDACT

OCTAVE

QUINTE

REGAL

4’

2’

11/2

8’

 

W *

W *

W *

W *

 


Pedal CDE d’


Technische Angaben:

 

PRINCIPAL

SUBBAß

OCTAVE

POSAUN

TROMET

TROMET

8’

16’

4’

16’

8’

4’

 

B/W *

H/W *

H/W *

W **

W **

W **

PEDAL COPPEL:

CALCANT:

VENTIL (HW):

TREMULANT:

CIMBELSTERN:

NACHTIGALL:

W (Ped/HW)

W **

W **

W ** („auf’s ganze Werk“)

W **

W **

 


Pfeifenwerk:

 

S

B

H

W

W *

W **

=

=

=

=

=

=

1679/1682

1781

2000

2014

2015

2017

Arp Schnitger (Stade)

Johann Daniel Busch (Itzehoe)

Orgelbau Hillebrand (Altwarmbüchen)

Rowan West Orgelbau (Altenahr): 1. Bauabschnitt

Rowan West Orgelbau (Altenahr): 2. Bauabschnitt

Rowan West Orgelbau (Altenahr): 3. Bauabschnitt

 


Technische Angaben:

 

Winddruck:

Tonhöhe:

Stimmung:

Manualkoppel:

68mmWS

a’ = 483, 8 Hz bei 16 °C

ähnl. Mitteltönigkeit, wohltemperierte Stimmung

BW/HW (als Schiebekoppel): W


Bau-/Restaurierungsgeschichte

1581

Es wird erstmals eine Orgel erwähnt. Sie steht an der Nordseite des Chors und muss ca. zehn Register auf Manual und Pedal haben.

 

 

1652

Eine neue Orgel wird von dem bedeutenden Hamburger Orgelbauer Hans Christoph Frietzsch (Hamburg) erbaut und kostet 1200 lüb. Mark. In dieser Orgel, die bereits drei Manuale und Pedal besitzt, verbaut Frietsch noch zehn Register aus der alten Orgel.

 

 

167882

Arp Schnitger (Stade) baut die Orgel von Hans Christoph Frietzsch um und gibt dem Instrument ein „modernes“ Aussehen. Mit drei Manualwerken und Pedal wird diese Orgel auf der Nordempore des Schiffs aufgestellt. Schnitger legt mit den Orgelbauten in Stade, Lüdingworth und Oederquart den Grundstein für seine große, internationale Karriere.

 

 

1781

Johann Daniel Busch (Itzehoe) führt Reparaturarbeiten durch und legt insbesondere das Pedalwerk mit sechs Registern in zwei Türmen neu an. In diesem Zustand beschreibt Hinrich Renken (1805 bis 1868) die Orgel. Die Orgel hat nun 28 Register auf drei Manualen und Pedal. Eine Besonderheit der Orgel ist, dass die Prospektprincipale (alle sichtbaren Pfeifen) in allen drei Werken aus Zinn bestehen und noch heute gut erhalten sind.

 

 

1864/65

Es erfolgt ein Neubau des Orgelwerks durch Johann Hinrich Röver (Stade) in dem alten Gehäuse. Dabei werden die Prospektpfeifen zwar belassen, erklingen fortan aber nicht mehr.

 

 

1907

Die Firma Furtwängler & Hammer (Hannover) verlegt die Orgel auf die Westempore. Dabei werden die Pedaltürme mit dem Hauptwerk in eine Frontlinie gebracht. Vom Rückpositiv wird nur das Gehäuse mit den alten Prospektpfeifen wieder aufgebaut – es erhält aber keine eigenen Register.

 

 

1971

Die Firma Gebr. Hillebrand (Altwarmbüchen) baut hinter dem Prospekt von Schnitger/Busch unter Einbeziehung der Prospektpfeifen eine Orgel im neobarocken Stil mit zwölf Registern im Hauptwerk und Rückpositiv. Das Pedal bleibt nur als Fassade auf der Orgelempore stehen. Allerdings entspricht dieses Werk in keiner Weise dem optischen Eindruck der Orgel.

 

 

1999

Die Kirchengemeinde entschließt sich dazu, die Rekonstruktion der Orgel von Schnitger/Busch zu beginnen. Der Ausgangspunkt dafür soll die Disposition der Orgel von 1682 und 1781 in den Dispositionsaufzeichnungen von Hinrich Renken (1830) sein.

 

 

2000

Das Pedal wird mit der Disposition von Johann Daniel Busch mit sechs Registern durch die Firma Gebr. Hillebrand (Altwarmbüchen) rekonstruiert. Dabei werden die historischen Pfeifen in der Front wieder spielbar gemacht.

 

 

2012

Die weitere Restaurierung und Rekonstruktion der Schnitger-Orgel kann verfolgt und durch den Orgelbauer Rowan West (Altenahr) realisiert werden.

 

 

2014

Ein erster Schritt auf diesem Weg ist die Förderung des Projekts durch die Leader-Mittel aus der EU-Förderung und die Zusage der finanziellen Förderung der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannover und der Klosterkammer Hannover.

So kann der erste Bauabschnitt durchgeführt werden. Dabei wird neben technischen Restaurierungen (Hauptgehäuse und ein erster Balg von Röver) und Rekonstruktionen das Hauptwerk zum Teil wieder spielbar gemacht. Auch der Prospektprinzipal wird restauriert und kann wieder verwendet werden.

Bei den Vorarbeiten stellt sich heraus, dass die Prospektprincipale aus einer Zinnlegierung gemacht sind. Auf der Rückseite der Pfeife D des Prospektprincipals 8‘ (Hauptwerk) und des Prospektprincipals 4‘ (Rückpositiv) ist zur Erbauungszeit die folgende Gravur vorgenommen worden, die bis heute erhalten ist: „D Anno 1679“.

 

 

2015

Der zweite Bauabschnitt kann durch den Orgelbauer West fertiggestellt werden. Dabei werden drei Pedalregister wieder spielbar gemacht, das Hauptwerk um zwei weitere Register ergänzt und das Brustwerk mit vier Registern rekonstruiert.

 

 

2017

Der dritte und letzte Bauabschnitt kann im Frühjahr fertiggestellt werden und damit besitzt die Oederquarter Schnitger-Orgel wieder ihre originale Disposition mit 28 Registern. Die Farbfassung der Orgel wird im dritten Bauabschnitt von dem Restaurator Dietrich Wellmer (Uelzen/Himbergen) überarbeitet.

 


(Stand 23.02.2022; Literatur und Quellen: Martin Böcker, Orgelsachverständiger)