Eggelingen, Ev.-luth. Kirche

Orgel von Gerd Sieben Janssen (1846)

Navigation: 26409 Wittmund

Auf einer Warft an der ehemaligen Harlebucht steht die zwischen dem 14. und 15. Jahrhundert aus Backsteinen erbaute ev.-luth. Kirche in Eggelingen. Seit dem Jahr 1846 beherbergt sie eine Orgel von Gerd Sieben Janssen aus Aurich. Es erfolgen 1904 einige Veränderungen durch Johann Martin Schmid. Schließlich führt die Firma Alfred Führer Orgelbau aus Wilhelmshaven das Instrument 1999 bis auf die beiden geteilten Zungenregister auf den Zustand von 1846 zurück.


Anm.:
originale Schreibweise der Register in der Einheit Fuß (’).
Anzahl der Pfeifenreihen gemischter Stimmen in römischen Zahlen.

Disposition:

(8 (10) / I/angeh. Ped.)

Manual

Technische Angaben:

 

Principal

Bordun

Gedackt

Salicional

Octave

Flöte

Octave

Mixtur

Dulcian

Trompet

8

16

8

8

4

4

2

III

16

8

 

r/o (P)

o

o

o/+/r

o

o

r/o

r

* +

* +

Manualumfang:

Pedalumfang:

Winddruck:

Tonhöhe:

Stimmung:

Klaviaturen:

Windladen:

3 Keilbälge:

Ventil:

Tremulant:

C – f'''

C – c' (angehängt)

65mmWS

normal

ungleichstufig (wohltemperiert)

Man: o, Ped: o

o

#

o

o

 


Pfeifenwerk:

 

(P)

*

+

#

o

+

r

=

=

=

=

=

=

=

Principal 8

B/D

Dulcian 16, Trompet 8

1771

1846

1904

1999

Prospekt

Bass und Diskant

vacant (frei, offen)


Hinrich Just Müller: alte Bälge wiederverwendet von Janssen

Gerd Sieben Janssen (original)

Johann Martin Schmid

Alfred Führer (restauriert)

 


(
Technische Angaben:)

 

2 Kollektivtritte:

o/r: rechts (Forte): + Bordun 16, Octave 4, Octave 2, Mixtur; links (Piano): - Bordun 16’, - Principal 8’, - Octave 4’, - Octave 2’, - Mixtur

 

Bau-/Restaurierungsgeschichte

1771

Die erste nachweisbare Orgel in Eggelingen wird von dem gebürtigen Westfalen Hinrich Just Müller (1740 bis 1811) aus Wittmund erbaut.

 

 

1836

Ein Orkan bringt die Kirche am 29. November zum Einsturz, wobei die Orgel so stark beschädigt wird, dass nur noch die drei Bälge wiederverwendbar erscheinen. Die Pfeifen aber können dem Orgelbauer nur als Altmaterial in Zahlung gegeben werden.

 

 

1839

Erst nach langwierigen Verhandlungen mit dem Konsistorium erlangt die Gemeinde – durch den Wiederaufbau der Kirche hoch verschuldet – ab 1839 die Genehmigung für den Neubau einer Orgel. Gerd Sieben Janssen reicht bereits im Sommer sein erstes Angebot ein.

 

 

1843

Maßgebend wird schließlich der zweite Kostenanschlag Janssens vom Mai 1843, mit dem er sich gegen seine ehemalige Lehrwerkstatt Rohlfs aus Esens durchsetzen kann.

 

 

1846

Durch seine Umbauarbeiten an der Orgel in Larrelt ist Janssen offenbar so stark beschäftigt, dass er die Lieferfrist nicht einhalten kann. Trotz der Einstellung weiterer Mitarbeiter kann die Orgel erst mit gut zwei Jahren Verzug fertiggestellt und von den beiden Sachverständigen, dem Organisten E. J. Focken aus Wittmund und dem Orgelbauer J. H. Janssen aus Jever am 22.08.1846 abgenommen werden.

 

 

1847

Ein Jahr später bekommt das Orgelgehäuse auch seine farbliche Fassung. Die Seitenwände werden (viermal!) mit Kremnitzer Weiß, die Leisten, die Rosetten (Ornamente, meinst in Form einer Rose) und Schnörkel im Laubwerk zwischen den Pfeifen sowie die Blätter in den seitlichen Flügeln mit Dukatengold und die Trauben in diesen Flügeln mit Bronze gestrichen. Die Rückwand des Orgelgehäuses und das Balggehäuse erhalten eine graue Farbe.

 

 

1904

Die Orgel erfährt eine erste Veränderung, als der Hoforgelbaumeister Johann Martin Schmid (Oldenburg) für 640 Mark eine Reparatur durchführt. Er macht aus der Viola di Gamba durch Umarbeiten der Pfeifen ein Salicional – ein zu der Zeit sehr beliebtes, äußerst zartes Register. Von dieser Veränderung zeugt noch heute die Aufschrift „Salicional 8 Fuß“ auf dem Registerzug – obwohl die Pfeifen mittlerweile wieder den ursprünglichen Klang der Viola di Gamba besitzen. Möglicherweise wird zu dem Zeitpunkt das Zungenregister Dulcian 16 bereits entfernt.

 

 

1917

Eine empfindliche, sichtbare Lücke entsteht für die Orgel durch die Ablieferung der Prospektpfeifen im Ersten Weltkrieg. Damit fehlt für knapp 40 Jahre nicht nur das entscheidende Grundregister, auf dem die Disposition der Orgel klanglich aufbaut, sondern auch das wesentlichste Element des prächtigen Anblicks. Mit einem grünen Tuch, das an die Stelle der Prospektpfeifen tritt, wird nicht nur der Blick ins wenig dekorative innere Pfeifenwerk verdeckt, sondern auch dessen Klang abgedämpft.

 

 

1939

Es werden erste Instandsetzungspläne der Orgel besprochen.

 

 

1947

Bei der Wiederaufnahme dieser Pläne wird deutlich, dass in näherer Zukunft nur ein Ausbau des als unbrauchbar angesehenen Registers Trompete 8’ erfolgen kann.

 

 

1956

Die Orgel erhält wieder Prospektpfeifen – wenn auch aus Zink – und erstmals einen Windmotor. Gleichzeitig wird durch die Orgelbaufirma Alfred Führer (Wilhelmshaven) aber auch die originale Mixtur durch eine neue ersetzt, die den Klangvorstellungen der Zeit mehr entspricht.

 

 

1978

Bei Dachdeckerarbeiten in der Kirche kommt es zu einer starken Verschmutzung des Orgelinneren.

 

 

1983

Die Verschmutzung und der ohnehin zunehmende Holzwurmbefall machen eine weitere gründliche Instandsetzung der Orgel erforderlich. Diesmal soll sie allerdings nicht mit Umbauten im Stil des Zeitgeschmacks verbunden sein, sondern als Restaurierung nach denkmalpflegerischen Maßstäben vonstattengehen. Der Grund dafür ist das inzwischen die Erkenntnis vorherrscht, dass ein derartiges Orgelwerk auf einer Gesamtkonzeption beruht, die nicht ungestraft durchkreuzt werden kann. Nur die gewissenhafte Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands ermöglicht eine störungsfreie Funktion und einen gesunden, abgerundeten Klang des Instruments.

Ein erster Kostenanschlag von Alfred Führer wird im November 1983 eingeholt.

 

 

1989

Im Frühjahr 1989 folgt eine gründliche Untersuchung der Orgel durch den Orgelsachverständigen der Landeskirche Uwe Droszella.

 

 

1994

Droszellas Rahmenplan für die Restaurierung liegt gegen Ende des Jahres 1994 vor.

 

 

1997

Den Auftrag für die Restaurierung erhält im Juli 1997 erneut die Werkstatt Alfred Führer. Nun dauert es noch knapp zwei Jahre bis die Orgel wieder in alter Frische erklingen kann.

 

 

1999

Der Verfasser dieser Ausführung – in seiner Funktion als Orgelrevisor auch schon an der ganzen Planung beteiligt – kann am 19.04.1999 die Abnahmeprüfung durchführen:

„Bei der Restaurierung waren folgende Arbeiten zur Ausführung gekommen: Das Gehäuse wurde lotrecht (senkrecht) aufgestellt und überarbeitet, das Schleierwerk gegen Holzwurm behandelt, repariert und ergänzt. Die vielfach gerissenen Windladen wurden auseinandergenommen und mit belederten Dehnungsfugen neu zusammengeleimt, um neuerlichem Reißen des Holzes vorzubeugen. Die Registerein- und -ausschaltung wurde leichtgängig und winddicht gemacht. Die Ventile wurden mit neuem Leder versehen, die Lederpulpeten (speziellen Dichtungen) erneuert. Die original erhaltene, aber ausgetuchte Traktur (Verbindung der Tasten mit dem Pfeifenwerk) wurde restauriert, die Obertasten wieder verlängert, die Untertasten neu belegt und die verwurmten Registerzüge erneuert. Aus Kostengründen wurde nur einer der drei Bälge repariert, der nach wie vor vom elektrischen Gebläse gespeist wird. Sämtliche originalen Pfeifen wurden gründlich instandgesetzt und alle fehlenden in gleicher Bauweise ersetzt. Die Prospektpfeifen wurden in Zinn rekonstruiert, und die Mixtur wurde in ihrer ursprünglichen Zusammensetzung wiederhergestellt. Aus Kostengründen mussten die beiden fehlenden Zungenregister, Dulcian 16 und Trompete 8, noch weiterhin vakant bleiben.“

 


(Stand 28.04.2022; Literatur und Quellen: Reinhard Ruge)