Marienhafe, Ev.–luth. Marienkirche

Orgel von Gerhard von Holy (17101713)

Navigation: Am Markt, 26529 Marienhafe

Die Marienhafer Orgel der Marienkirche ist die am besten und vollständigsten erhaltene zweimanualige Barockorgel Ostfrieslands. Baulich fußt sie ganz auf der Tradition Schnitgers, klanglich tendiert sie aber schon zum 18. Jahrhundert – besonders mit ihren unvergleichlichen Flötenregistern.

Der Prospekt (die künstlerische, verzierte Vorderseite der Orgel) ist ganz im Sinne von Holys Lehrmeister Arp Schnitger aufgebaut und gegliedert: In der Mitte der polygonale (vieleckige) Bassturm, an beiden Seiten die Spitztürme mit den Pfeifen der Tenorlage und dazwischen in zwei Etagen die Flachfelder mit den Diskantpfeifen – alles in symmetrischer Anordnung. Das Rückpositiv in der Brüstung ist ein verkleinertes Abbild des Hauptwerks.


Anm.:
Schreibweise originalen Registerschilder in der Einheit Fuß (FVS).
Anzahl der Pfeifenreihen gemischter Stimmen in Großbuchstaben: z. B. 3FACH.

Disposition:

(20 / RP/HW/angeh. Ped)

RVG=POSITIV

(Rückpositiv, Manual I)

MANUAL

(Hauptwerk, Manual II)

 

PRINCIPAAL

ROHR=FLEVTE

BLOK=FLEVTE

OCTAVE

QVINTE

SIFFLEVTE

SCHARF

KRVMHORN

4 FVS

8 FVS

4 FVS

2 FVS

11/2 FVS

1 FVS

2FACH

8 FVS

 

P

PRINCIPAAL

QVINTADEN

GEDACT

OCTAVE

SPITS=FLEVTE

QVINTE

OCTAVE

SPITS=FLEVTE

SESQUIALTER

MIXTVVR

CYMBEL

TROMPETE

8 FVS

16 FVS

8 FVS

4 FVS

4 FVS

3 FVS

2 FVS

2 FVS

2FACH

5–6FACH

3FACH

8 FVS

 

P

*









*

 

Pfeifenwerk:

 

(  )

*

=

=

1710 (kein Zeichen)

1969

Gerhard von Holy

Ahrend & Brunzema

 


Technische Angaben:

 

Manualumfang:
Pedalumfang:

Winddruck:
Tonhöhe:
Temperierung:

Koppeln:


Windladen:

Klaviaturen:
4 Keilbälge:


VENTIL M„ , VENTIL RVG„POS„:

TREMVLANT:
CYMBEL=STERN:

CDEFGA – c'''

CDEFGA – d' (angehängt ans HW)

64mmWS

ca. 1/4Ton über normal

mitteltönig bis wohltemperiert

Manualschiebekoppel: o


r

o

o

o

o

o (2 Sterne am Rückpositiv)


Bau-/Restaurierungsgeschichte

1437

Vollendung der ältesten, in Ostfriesland nachweisbaren Orgel durch „Thidricus de Dominis“ an der Nordecke des Chores. Brüstung und Gehäuse sind zu Beginn des 18. Jahrhunderts noch vorhanden.

 

 

1500

Bau einer zweiten Orgel im 16. Jahrhundert über dem Eingang am Westende der Kirche. Erbauer und Entstehungsjahr sind unbekannt.

 

 

1778

Abbruch und Verkauf dieser Orgel.

 

 

1710

Kontrakt (Vertrag) mit Gerhard von Holy (Aurich, Esens, Jever) über den Bau der heute noch erhaltenen Orgel.

 

 

1713

Abnahme der Orgel durch die Organisten Johann Jacob Druckenmüller (Norden) und Hermann Bohlen (Hage). Die Orgel steht zu dieser Zeit auf der Chormauer im Osten. Der sie umgebende Kirchraum ist mit dem Gewölbe, den zwei Seitenschiffen, dem Querschiff und dem Chor fünf mal größer als heute.

 

 

1761

Reinigung und technische Instandsetzung durch Johann Adam Berner (Jever). Neue Klaviaturbeläge, neue Zungen für die Register Trompete und Krummhorn. „Verbesserung“ der Temperatur (Stimmungssystem).

 

 

1781/97

Reparaturen durch Johann Friedrich Wenthin (Emden).

 

 

1818

Neuer Zinnfolienbelag für die Prospektpfeifen bei der Reinigung und Instandsetzung durch Johann Gottfried Rohlfs (Esens).

 

 

1828

Abbau der Orgel wegen Einsturzgefahr des Chores und Lagerung im Turm durch Johann Gottfried Rohlfs (Esens).

 

 

1829/30

Abbruch großer Teile der Kirche.

 

 

1831

Unveränderter Wiederaufbau der Orgel an der Westseite der Restkirche durch Rohlfs. So wird die bisherige Chororgel einer großen romanischen Basilika (frühchristlichen Kirche mit erhöhtem Mittelschiff) zur Hauptorgel des übrig gebliebenen Kirchraums.

 

 

1886

Einbau eines Bordun 16 (Fuß) anstelle der Quintadena 16 und Folierung der Prospektpfeifen durch Johann Diepenbrock (Norden).

 

 

1908

Verbesserungsvorschlag von J. Schmid (Oldenburg): Umdisposition im Stil der Romantik, Ergänzung der kurzen Oktave, selbständiges Pedal.

 

 

1909

Die Firma Furtwängler & Hammer (Hannover) empfiehlt einen Orgelneubau dicht hinter dem Hauptwerksprospekt (weil eine größere Reparatur eine unnötige Geldausgabe wäre). Dabei soll auch der Rückpositivprospekt erhalten bleiben, allerdings ohne Windladen und Pfeifen. Einige Register können umgearbeitet wiederverwendet werden.

 

 

1909 (?)

Ersatz der originalen Trompete 8 durch eine neue.

 

 

1966/69

Restaurierung durch Ahrend und Brunzema (Leer-Loga): 1966 das Rückpositiv und 1969 das Hauptwerk. Dabei Erneuerung der Windladen (wegen sehr schlechter Holzqualität) mit den originalen Kanzellenmaßen und den alten Ventilen, Stöcken und Schleifen. Rekonstruktion der Quintadena 16’ und der Trompete 8’.

 

 

1987/88

Reinigung, Instandsetzung und Einstimmung in der „Norder Stimmung“ (Übergangsform von mitteltönig zu wohltemperiert) durch Jürgen Ahrend (Leer-Loga). Dabei auch Reparatur zweier von Bleifraß befallener Pfeifenfüße.

 

 

2006

Erneuerung von zwei Pfeifen und 21 Pfeifenfüßen durch Ahrend, die durch Bleifraß stark beschädigt worden sind.

 

 

2009

Einbau einer Dauerlüftung der Windladen um Essigsäurekonzentrationen, die zum Bleifraß führen können, zu vermeiden.

 

 

2010

Reparatur des Orgelgehäuses, Reinigung des Pfeifenwerks und Erneuerung von über 160 Pfeifenfüßen durch Hendrik Ahrend (Leer-Loga). Restaurationsarbeiten an der Farbfassung durch Dietrich Wellmer (Himbergen bei Uelzen).

 


(Stand 22.05.2020; Literatur und Quellen: Reinhard Ruge)