Krautsand, Zum guten Hirten

Orgel von Philipp Furtwängler (1848/49)

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Philipp Furtwängler erbaute 1848/49 eine neue Orgel für die Inselkirche auf Krautsand. Das Instrument, vergleichbar mit der Orgel in Geversdorf, wurde mit einem Registerbestand ausgestattet, der auf der einen Seite eine barocke Tradition erkennen lässt und auf der anderen Seite die Einflüsse des 19. Jahrhunderts in sich trägt. Das Konzept Furtwänglers wurde 1966/67 leider zugunsten einer neobarocken Disposition durch die Fa. E. Kemper verändert. Dadurch verlor die Orgel ihren typischen Klangcharakter. 2019/2020 konnte die Orgel durch eine umfassende Restaurierung durch Orgelbau in Ostfriesland (Martin ter Haseborg) klanglich auf den Zustand von Furtwängler zurückgeführt werden. Die Technik Kempers (Balg, Traktur, Spieltisch etc.) wurde grundlegend überarbeitet aber aufgrund des robusten und zuverlässigen Bestandes weitgehend beibehalten.

Disposition:

(15 / II/Ped)

Philipp Furtwängler (Elze) 1848/49 (15 / II / Ped)
Umbau Kemper (Lübeck)1966/67

Restaurierung „Orgelbau in Ostfriesland“, Martin ter Haseborg (Uplengen) 2019/20

Manual I (Hauptwerk)

Manual II (Hinterwerk)

Pedal

 

Prinzipal

Bordun

Gedackt

Viola di Gamba

Oktav

Oktav

Mixtur

8’

16’

8’

8’

4’

2’

2' 4f.

Fw/tH

Fw

Fw

Fw/tH

Fw

Fw

tH

Liebl. Gedackt

Spitzflöte

Salicional

Rohrflöte

Gemshorn

8’

8’

8’

4’

2’

Fw

Fw/tH

Fw/tH

Fw

Fw

Subbaß

Prinzipalbaß

Oktave

16’ Fw

8’ Fw

4’Fw

Fw = Furtwängler

tH = ter Haseborg

Technische Angaben:

 

Manualumfang:

Pedalumfang:

Winddruck:

Tonhöhe:

Stimmung:

Koppeln:

durchschobene Windlade:

Glockenspiel = Führer

Balganlage = Kemper

Manualkoppel, Mechanik, Traktur etc. Kemper, generalüberholt durch ter Haseborg

Klaviaturen, Spielschrank von Kemper, generalüberholt durch ter Haseborg, farblich neugestaltet, neue Manubrien im Stile Furtwänglers.

C D Dis – f’’’ (Cis ist als Taste vorhanden, ist aber “blind”)

C Cis D Dis – c’

ca. 68mmWS

normal 440Hz bei 18°C

leicht ungleichschwebende Stimmung

Manualkoppel, Pedalkoppeln I und II

Schleiflade Fw


Bau-/Restaurierungsgeschichte

Im Jahr 1847 nimmt die Gemeinde Krautsand Kontakt mit dem Orgelbauer Philipp Furtwängler auf und lässt sich Vorschläge für den Bau einer Orgel zusenden.

Furtwängler verfertigt am 18.3.1847 Kostenvoranschläge mit einer Disposition für eine zweimanualige und für eine einmanualige Orgel.

Haupt-Manual

1. Principal 8‘                         mit aufgeworfenen Labien und C – c‘‘ im Prospekt

2. Bordun 16‘                         ab c°, Metall

3. Rohrflöte 8‘                        C – H Holz, ab c° Metall

4. Octav 4‘   Metall

5. Gemshorn 4‘  Metall

6. Octav 2‘                        Metall

7. Mixtur 2‘ 3fach                eine Repetiton auf c‘

Zweites Manual (Positiv)

8. Geigen Principal 8‘                C – H gedeckte Pfeifen

9. Dolce Gedact 8‘                Metall

10. Salicional 8‘                auf g° anfangend, tiefe Töne mit Gedact 8‘ zusammengeführt

11. Spitzflöte 8‘                C – H gedeckte Pfeifen

12. Gedactflöte 4‘                Metall

13. Flageolet 2‘  Metall

Pedal

14. Subbass 16‘                Tannenholz

15. Gedactbass 8‘  C – H Holz, ab c° Metall

16. Octav 4‘                        mit aufgeworfenen Labien und ab Dis im Prospekt stehend

17. Dulcian 16‘

Nebenzüge

18. Koppel der Manual Claviere

19. Calcantenzug

Clavierumfänge: C, Cis, D, Dis bis f‘‘‘

Pedalumfang: C, Cis, D, Dis bis c‘

3 Bälge

Summe der Kosten: 872 Courant Mark

Die Disposition für die einmanualige Orgel lautete:

Manual

1. Principal 8‘                         mit aufgeworfenen Labien und von A im Prospekt

2. Bordun 16‘    ab c°, Metall

3. Spitzflöte 8‘                        C – Gis Holz, ab A Metall

4. Gedact 8‘   wie Spitzflöte

5. Salicional 8‘                        auf f° anfangend, tiefe Töne mit Gedact 8‘ zusammengeführt

6. Octav 4‘   Metall

7. Gemshorn 4‘                Metall

8. Gedactflöte 4‘                Metall

9. Octav 2‘   Metall

10. Mixtur 2‘ 3fach                eine Repetiton auf c‘

Pedal

14. Subbass 16‘  Tannenholz

15. Gedactbass 8‘                C – H Holz, ab c° Metall

16. Octav 4‘                        Metall

 

Nebenzug

11. Calcantenzug

Clavierumfänge: C, D, Dis bis f‘‘‘

Pedalumfang: C, Cis, D, Dis bis c‘

2 Bälge

Summe der Kosten: 650 Courant Mark

Am 14. November 1848 unterschreiben „Pagenstecher“ und am 28. November 1848 Ph. Furtwängler den Kontrakt für einen Orgelneubau, der sich jedoch von den ersten beiden Konzeptionen (18.3.1847) deutlich unterscheidet. Es wird eine Zahlung von 679 Courant Mark vereinbart und die Disposition des Kontraktes lautet:

 

A. Haupt Manual

1. Principal 8 fuß                von 12 löth. Zinn von Groß C mit aufgeworfenen Labien und gehört im Prospect groß C D Dis von Holz auf der Lade stehend

2. Bordun 16 fuß                von f’ in 5 löth. Zinn,  hin-fern Tann (?) Holz,

                         die erste Octav in 8 fuß

3. Gedackt 8 fuß                von klein c bis f‘‘‘ 5 löth Zinn, die erste Octav (C – H) von Holz

4. Viola di Gamba 8 fuß        dergleichen wie Gedact

5. Octav 4 fuß                        von 5 löth. Zinn

6. Octav 2 fuß   dergl.

7. Mixtur 2 fuß                 3 fach repetiert auf c’ einmal und von 5 löth. Zinn

B. Zweites Manual

8. Liebl. Gedackt 8 fuß        von klein c an von 5 löth Zinn, erste Octav Holz

9. Spitzflöte 8 fuß                dergleichen

(Salicional 8 fuß)                (fehlt im Kontrakt, wird zusätzlich durch Furtwängler geliefert)

10. Rohrflöte 4 fuß  von 5 löth. Zinn

11. Gemshorn 2 fuß                dergleichen

C. Pedal

12. Subbaß 16 fuß                Holz

13. Principalbaß  8 fuß Holz

14. Octav 4 fuß                von 5 löth. Zinn

Calcanten Glocke

(Glockenspiel)                        (fehlt im Kontrakt, wird zusätzlich durch Furtwängler geliefert)

3 Stück (Keil-) Bälge

Manualumfänge: C D Dis – f’’’ (Cis ist als Taste vorhanden, ist aber “blind”)

Pedalumfang: C Cis D Dis – c’

Manualkoppel

Die Orgel wurde mit einer durchschobenen Windlade (Schleiflade) gebaut.

Winddruck: ca. 75 mm, Tonhöhe normal, gleichschwebende Stimmung

Am 22. Oktober 1849 schreibt Pastor Wiedemann aus Twielenfleth einen Abnahmebericht.

Dabei erwähnt er auch das Register Salicional 8 Fuß auf dem II. Manual. Er bemerkt: „Das ganze Register ist gut bis auf Gr. F …“

Im Fragebogen der Hannoverschen Landeskirche wird 1926 über die Orgel berichtet, dass sie in einem „im g Ganzen befriedigenden“ Zustand sei. Die Orgel besitzt bereits eine Pedalkoppel. Heinrich Röver (Stade) hat die Orgel in Pflege.

Außerdem geht aus dem Bericht hervor, dass die Prospektpfeifen 1917 bei der „Kriegsbeschlagnahme 1917 ausgebaut und abgeliefert“ worden sind. Es handelt sich um die klingenden Prospektpfeifen F - h‘‘ und 16 stumme Pfeifen.

 

1927 ersetzt H. Röver die fehlenden Prospektpfeifen durch neue aus Zink und Aluminium- Bronze.

1933 legt der Stader Orgelbauer Gustav Ehlers einen Kostenvoranschlag zur Reinigung der Orgel und Holzwurmbekämpfung vor.

Aus dem „Meldebogen für Orgeln“ vom Mai 1944 ist zu entnehmen, dass die Fa. Hammer (Hannover) inzwischen die Wartung der Orgel durchführt.

 

Im Juni 1948 genehmigt die Landeskirche Hannovers die Erneuerung der Orgel durch die Werkstatt Ott (Göttingen) gemäß einem Gutachten von Orgelrevisor Hoppe. Es wird eine Beihilfe von 2000.- Mark für die Gesamtkosten von 4.700.- Mark gewährt.

Diesen Kosten liegt ein Angebot der Fa. Paul Ott (Göttingen) über eine grundlegende Überarbeitung der Orgel zugrunde.

Dabei soll der technische Teil der Furtwängler-Orgel instandgesetzt und das Pfeifenwerk abgetragen werden. Das Pfeifenwerk sollte grundsätzlich im Sinne der Zeit umgearbeitet werden und eine Mixtur (im Manual I und Pedal), eine Zimbeloktave (Man. II) und ein Dulcian 16‘ (Ped.) sollen ganz neu erstellt werden. Nach dieser geplanten Überarbeitung hätte die Orgel 17 Register auf 2 Manualen und Pedal gehabt. Dieser Plan Hoppes kommt aus Kriegsgründen nicht zur Ausführung.

 

1952 erfolgt eine Reinigung der Orgel und der Einbau eines elektrischen Windmotors durch die Fa. E. Kemper + Sohn (Lübeck).

 

Im August 1964 muss die Orgel abgebaut und in einer Scheune unweit der Kirche eingelagert werden, da der Dachstuhl, die Decke und der Emporenfußboden der Kirche einer Erneuerung bedarf.

In einem Bericht dazu, den die Fa. Kemper erstellt, wird von den Mängeln der Orgel berichtet:

Manualklaviatur I ist ausgespielt, ebenfalls die Pedalklaviatur

Die Manual- und Registermechanik bedürfe der Austuchung. Die Spielmechanik wird näher beschrieben.

Die 3 Keilbälge sind verwurmt.

In den Windladen sind die Spundbretter und Schleifenführungen undicht.
Das Pfeifenwerk ist z.T. mit Bleizucker befallen. An einigen Pfeifen sind die Füße bereits abgefallen, bei anderen sind aufgebrochene Teile mit Papier beklebt.

Im April 1965 legt A. Hoppe einen Bericht vor, wie die Krautsander Orgel zu überarbeiten sei.

Dabei wird das kluge Konzept der Orgel von Furtwängler leider zugunsten einer neobarocken Klanglichkeit verändert. Die Fa. Kemper führt diese Arbeiten 1966/67 durch. Dadurch verliert die Orgel ihren typischen Klangcharakter. Die Orgel bekommt eine zeittypische, neobarocke Disposition.

Manual I

Prinzipal 8’                C – E (Holz) von Furtwängler, ab F bis f‘‘‘ neu von Kemper (Prospekt)

Bordun 16’                Furtwängler/Kemper, neue Füße, Aufschnitte und Kerne

Gedackt 8’                Furtwängler, neue Füße (c – f‘‘‘), Aufschnitte und Kerne

Oktave 4’  Furtwängler

Quinte 2 2/3’                Furtwängler/Kemper, aus Gambe 8‘ (fs‘‘ – f‘‘‘ neu)

Oktave 2’                Furtwängler/Kemper, neue Füße, Aufschnitte und Kerne

Mixtur 4 fach                neu von Kemper

Manual II

Liebl. Gedackt 8’ Furtwängler

Rohrflöte 4’                Furtwängler

Waldflöte 2’                Furtwängler

Terz 1 3/5’                Furtwängler/Kemper, aus Salicional 8‘ fs‘‘ – f‘‘‘ neu

Quinte 1 1/3’                Furtwängler/Kemper, aus Spitzflöte 8‘ fs‘‘ – f‘‘‘ neu

Pedal

12. Subbaß 16‘ Furtwängler (Holz)

13. Prinzipalbaß  8‘  Furtwängler (Holz)

14. Oktave 4‘                Furtwängler (Metall)

Manualumfang: C,D – f’’’, Pedalumfang: C – c’

Manualkoppel, Pedalkoppeln I und II

Winddruck: ca. 70 mm, Tonhöhe normal, gleichschwebende Stimmung

Durchschobene Windlade (Schleiflade)

 

Sieben Register werden neu gerastert. Das Glockenspiel wird nicht wieder eingebaut. Die Orgel erhält einen neuen Spielschrank, neue Manual- und Pedalklaviaturen, neue Register- und Spielmechanik, die Windladen werden aufgearbeitet und es wird ein neuer Magazinbalg geliefert, der es erlaubt, die Orgel 60 cm weiter zur Kirchenwand hin zu rücken.

 

Ab 1980 ist die Orgel bei der Fa. Alfred Führer (Wilhelmshaven) in Pflege und wird gereinigt und in Stand gesetzt. Es werden neue Akkordglocken im Fuß der Orgel eingebaut.

1989 wird Kontakt mit der Orgelbauwerkstatt Martin Haspelmath (Walsrode) aufgenommen, um von diesem die Wartung durchführen zu lassen. 1999 wird dann eine letzte Pflege durch die Werkstatt Haspelmath durchgeführt. 2001 ging der Pflegevertrag an Orgelbau Martin ter Haseborg, jetzt „Orgelbau in Ostfriesland“ (Uplengen).

 

Am 11. November 2011 beschließt der Kirchenvorstand Krautsand die Restaurierung der Furtwängler-Orgel und das Landeskirchenamt Hannover setzt dazu am 10. Juni 2013 einen Sachverständigenausschuss unter der Leitung von Martin Böcker (Stade) ein. Nach Einholung von vier Kostenangeboten wird 2018 der Auftrag zur Restaurierung der Orgel an „Orgelbau in Ostfriesland“, Martin ter Haseborg vergeben.

Ziel der Restaurierung ist, die Orgel klanglich auf den Furtwängler-Zustand zurück zu führen und die technische Einrichtung von Kemper (Magazinbalg, Spielschrank, Manual- und Pedalklaviaturen, neue Register- und Spielmechanik) zu belassen und zu überarbeiten.

Die Restaurierung durch „Orgelbau in Ostfriesland“ M. ter Haseborg wird in den Jahren 2019/2020 durchgeführt. Nach den Arbeiten in der Werkstatt wird die Orgel wieder in der Kirche eingebaut und die Arbeiten sind im Herbst 2020 beendet.

Die alte und jetzige Disposition

Fw = Furtwängler

tH = ter Haseborg

 

Haupt Manual

1. Principal 8‘                im Prospect, C, D, Dis Holz (innen) Fw,

ansonsten Metall (Zinnlegierung) – neu tH

2. Bordun 16‘                C- H aus Gedackt 8‘ Holz, ab c° 16‘, c° - h° Holz, Rest Metall – Fw

3. Gedackt 8‘                C- H Holz, ab c° Metall - Fw

4. Viola di Gamba 8‘        C- H Holz, ab c° - Fw / Anlängungen neu tH

                        (von Kemper abgeschnitten auf 2 2/3‘)

5. Octav 4‘                Metall - Fw

6. Octav 2‘                Metall - Fw

7. Mixtur 2‘                 Metall 4 fach, (Repetitionen s.u.) – neu tH

 

C        1 1/3‘                1‘                2/3‘                1/2'

f°        2‘                1 1/3‘                1‘                2/3‘

f‘        4‘                2 2/3‘                2‘                1 1/3‘

f‘‘        4‘                4‘                2 2/3‘                2‘       

 

Zweites Manual

8. Liebl. Gedackt 8‘        C- F Holz, Rest Metall - Fw

9. Spitzflöte 8‘*                C- H zusammengeführt mit Gambe 8‘, ab c° Metall – Fw / d° und Anlängungen neu tH (von Kemper abgeschnitten auf 1 3/5‘)

10. Salicional 8‘*                C- H zusammengeführt mit Gambe 8‘, c° bis f° zusammengeführt mit Spitzflöte, ab fis° Metall – Fw / Anlängungen neu tH

                        (von Kemper abgeschnitten auf 1 1/3‘)

11. Rohrflöte 4‘        Metall (zugelötet) - Fw

12. Gemshorn 2‘        Metall, C – h° gedeckt, ab c‘ offen - Fw

 

Pedal

13. Subbaß 16’        Holz - Fw

14. Principalbaß 8’        Holz - Fw

15. Octav 4‘                Metall - Fw

 

* Bei Furtwängler waren Spitzflöte und Salicional nicht mit der Gambe zusammengeführt.. Durch einen aufgestetzten Stock konnte die Zusammenführung erreicht werden, ohne in die Windlade Furtwänglers einzugreifen. Dieses bietet eine breitere Verwendungsmöglichkeit der beiden Register.

 

Glockenspiel                Führer

Balganlage                Kemper

Manualumfänge: C D Dis – f’’’ (Cis ist als Taste vorhanden, ist aber “blind”)

Pedalumfang: C Cis D Dis – c’

Manualkoppel, Mechanik, Traktur etc. Kemper, generalüberholt durch ter Haseborg

Klaviaturen, Spielschrank von Kemper, generalüberholt durch ter Haseborg, farblich neugestaltet, neue Manubrien im Stile Furtwänglers.

 

Windlade: durchschobene Windlade (Schleiflade) - Fw

Winddruck: ca. 68 mm

Tonhöhe normal: 440 Hz bei 18° C

Leicht ungleichschwebende Stimmung                       

Martin Böcker, Dezember 2020