Orgel von Johann Gottfried Rohlfs (1810–1813)
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Wenn das Kirchenschiff der ev.-luth. Marienkirche in Holtland betreten wird, fällt der Blick sofort auf den Orgelprospekt (die künstlerische, verzierte Vorderseite der Orgel), da dieser den Raum beherrscht. Wie ursprünglich in fast allen Kirchen Ostfrieslands hat die Orgel ihren Platz auf einer Empore im Osten, wo sie von der ganzen Gemeinde nicht nur gut zu hören, sondern auch zu sehen ist. Die Gliederung des Orgelprospekts mit Rundtürmen und Flachfeldern besitzt noch spätbarocke Züge, während die sparsamen Schleier vor den Pfeifen und die bekrönenden Vasen schon vom Klassizismus zeugen.
Erst in den Jahren von 1810 bis 1813 erhält die mittelalterliche Kirche von Holtland als erstes Instrument diese Orgel von Meister Johann Gottfried Rohlfs – dem Vater der Esenser Orgelbauerfamilie Rohlfs, der bei Hinrich Just Müller in Wittmund lernt und dessen handwerkliche Orgelbautradition ins 19. Jahrhundert hinein fortführt.
Nachdem die Holtlander Orgel 140 Jahre lang unversehrt erhalten bleibt, werden erst 1952 – anläßlich einer Reinigung und Instandsetzung – Veränderungen am Instrument vorgenommen. Sie haben das Ziel einer Angleichung der Disposition an Vorbilder aus dem frühen 18. Jahrhundert, die zu diesem Zeitpunkt sowohl für Orgelneubauten als auch für Restaurierungen als Maßstab gelten.
Die Orgelbauwerkstatt Alfred Führer (Wilhelmshaven), die diese Arbeiten ausführt, revidiert (überprüft, korrigiert) sie dann aber 1981/1982 in einer umfassenden Restaurierung, bei der der ursprüngliche Zustand wieder-hergestellt wird. Dabei kann die ursprüngliche, wohltemperierte Stimmung ermittelt und wiederhergestellt werden, die mit dazu beiträgt, dass diese Orgel seither unter den erhaltenen Werken von Johann Gottfried Rohlfs durch besonderen Wohlklang auffällt.
Anm.: originale Schreibweise der Register in der Einheit Fuß (’).
Anzahl der Pfeifenreihen gemischter Stimmen: z. B. 3fach (3f.).
Disposition:
(8 / I/angeh. Ped.)
Hauptwerk | Oberwerk | ||||||||
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Principal Bordun Gedact Octav Rohr Flöte Nassat Octav Mixtur Trompete | 8’ 16’ 8’ 4’ 4’ 3’ 2’ 4f. 8’ |
| o (P) r/o r/o o o o o o r * | Principal Flöte Travers Viol di Gamba Fl. douce Waldflöte | 4’ 8’ 8’ 4’ 2’ |
| o (P) r r ** o/r o | ||
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P * ** r | = = = = | Prospekt B/D D 1981/1982 | Pfeifen des Hauptregisters Baß/Discant (Bass und Diskant) Diskant
Alfred Führer (restauriert) | ||||||
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Manualumfang: Pedalumfang: Winddruck: Tonhöhe: Stimmung: Koppeln: 1 Keilbalg: Tremulant | C – f''' C – c' (angehängt ans HW) 70mmWS Chorton (a' knapp 1/2Ton über 440 Hz) original ungleichstufig (wohltemperiert) Manualkoppel (1982) |
Bau-/Restaurierungsgeschichte
1810–13 | Bau einer ersten Orgel durch Johann Gottfried Rohlfs auf einer Empore im Osten direkt über dem Altar, dessen Aufsatz deswegen zum Teil abgebrochen werden muss. |
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1842 | Reparatur und Reinigung der Orgel durch R. Ocken (Neuemoor). |
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1853 | Reparatur durch Gerd Sieben Janssen (Aurich). |
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1860 | Laut Kirchenbeschreibung kostet die Orgel von 1813 mit 14 Registern auf zwei Klavieren 1100 Taler. |
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1912 | Reparatur der Orgel durch Max Maucher (Emden). |
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1926 | Erste Mitteilung der Disposition im Orgelfragebogen des Landeskirchenamtes Hannover. Sie stimmt mit der inzwischen freigelegten, auf das Gehäuse gemalten originalen Registerbeschriftung überein. |
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1950 | Umbau der Orgelempore im Rahmen einer Kirchenrenovierung mit erheblicher Verkürzung in der Tiefe und Verlegung des Treppenaufgangs. Danach ist aber nicht mehr genügend Platz für die originale Balganlage mit drei Keilbälgen vorhanden. |
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1952 | Reinigung und Instandsetzung der Orgel im Anschluss an die Kirchenrenovierung durch Alfred Führer (Wilhelmshaven): dabei neuer Magazinbalg mit elektrischem Gebläse, erweiterte Windkanäle, teilweise Erneuerung und Austuchung der Traktur, neue Pedalklaviatur und Änderung der Disposition im frühbarocken Stil mit Aufgabe von originalen Registern (drei vollständig und drei teilweise). Am 18.12.1952 wird die Orgel unter Denkmalsschutz gestellt. |
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1981/82 | Umfassende Restaurierung durch Alfred Führer mit Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes. Nur die Balganlage lässt sich auf der verkürzten Empore nicht vollständig rekonstruieren. Statt drei wird nur ein Keilbalg gebaut. Dafür kann aber die ursprüngliche, ungleichstufige Stimmung ermittelt und wiederhergestellt werden. |
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Heute | Diese Orgel fällt unter den erhaltenen Werken von Johann Gottfried Rohlfs seit ihrer Restaurierung mitunter wegen ihrer ungleichstufigen Stimmung durch besonderen Wohlklang auf. |
(Stand 04.05.2022; Literatur und Quellen: Reinhard Ruge)