Orgel von Arp Schnitger (1686–88 und 1691/92)
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Die Norder Orgel in der Ludgerikirche ist das zweitgrößte noch erhaltene Werk Arp Schnitgers in Deutschland – für Ostfriesland zugleich die größte und bedeutendste historische Orgel. Durch die Restaurierung des dafür prädestinierten Orgelbauers Jürgen Ahrend gewinnt sie ihre ursprüngliche Klangschönheit und -vielfalt in beglückender Weise zurück, zu der auch der herrliche, seinerseits restaurierte mittelalterliche Kirchenraum mit der hölzernen Ausstattung der Renaissance und des Barock veredelnd beiträgt.
Der ungewöhnliche Standort der Orgel beim südöstlichen Vierungspfeiler erklärt sich aus den besonderen räumlichen Verhältnissen der Ludgerikirche, wo eine Aufstellung am Westende des Langschiffs nicht sinnvoll gewesen wäre. Durch Tiefersetzen und Erweitern der alten Orgelempore an der südlichen Chorwand bis ins Querschiff hinein erreicht Schnitger in genialer Weise, dass die Orgel nun in allen Teilen der Kirche gut zu hören ist und seither ihrer damals neuen Aufgabe, der Begleitung des Gemeindegesangs, voll gerecht werden kann.
Die Zusammenfassung des Pedalwerks in einem seitlichen Turm ergibt sich dabei zwangsläufig. Der Pedalturm steht im Querschiff, während die Manualwerke noch im Hochchor stehen, aber schräg in Richtung des nördlichen Querschiffs sprechen: das Rückpositiv in der Brüstung, Brustpositiv (nicht sichtbar) und Werck auf der Empore und das Oberpositiv ganz oben im Hintergrund an der Chorwand.
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Musikfilm: Praeludium d-moll Bux WV 140 von Dieterich Buxtehude.
Anm.: originale Schreibweise der Register in der Einheit Fuß (’).
Anzahl der Pfeifenreihen gemischter Stimmen in römischen Zahlen.
Disposition:
(46 / RP/HW/OW/BW/Ped)
Rückpositiv I | Werck II | Oberpositiv III | |||||||||||
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Principal Gedact Octav Rohrfloit Octav Waldfloit Ziffloit Sexquialt Tertian Scharff Dulcian | 8’ 8’ 4’ 4’ 2’ 2’ 1’ II II VI 8’ |
| P, r ° * o o * o o * o r r | Principal Quintadena Rohrfloit Octav Spitzfloit Quinta Nasat Octav Gemshorn Mixtur Cimbel Trommet | 8’ 16’ 8’ 4’ 4’ 3’ 3’ 2’ 2’ VI III 16’ |
| P, r * * * r r r * o r r r | Hollfloit Octav Flachfloit Rauschpfeiff Scharff Trommet Vox humana Schalmey | 8’ 4’ 2’ II IV–VI 8’ 8’ 4’ |
| H, o o o r r r r r | ||
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Gedact Blockfloit Principal Quinta Scharf Regal | 8’ 4’ 2’ 11/2’ IV 8’ |
| H, o H, o r o o r | Principal Octav Octav Rauschpfeiff Mixtur | 16’ 8’ 4’ II VIII |
| P, r °° * r * r | Posaune Trommet Trommet Cornet | 16’ 8’ 4’ 2’ |
| r r r r | ||
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° °° o o r | = = = = = | Principal 8’ Principal 16’
1686–1688 1691/1692 1981–1985 | ab Fis ab E
Arp Schnitger (W, Rp, Bp, Ped) (original) Arp Schnitger (Op) (original) Jürgen Ahrend (restauriert) | ||||||||||
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Manualumfang: Werck, Op, Bp: Winddruck: Tonhöhe: Stimmung: Koppeln:
Windladen: Klaviaturen: 3 Keilbälge: 5 Sperrventile: 2 Tremulanten Rp, Op: Cimbelsterne Rp: Vogelgesang: | CDE – c''' CDE – c''' (Fis und Gis als doppelte Obertasten) CDEFGA – c''' CDE – d' 71, 5mmWS a' = 473 Hz (5/8Ton über 440 Hz) modifiziert mitteltönig (1/5 Komma) Schiebekoppel Bp, Op/W: r
o r r r r o r |
Bau-/Restaurierungsgeschichte
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1566–67 | Andreas de Mare (Groningen, Emden) baut eine neue Orgel mit Flügeltüren. |
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1568 | Das Positiv (wohl die bisherige Orgel) wird verkauft. |
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1616–18 | Edo Evers (Emden, Jever) baut eine neue Orgel mit 18 Stimmen (Grote Werck neun, Rückpositiv sechs, Brustpositiv drei, Pedal angehängt) und bemalten Flügeltüren. |
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1653–60 | Lukas von Köningsmarck (Marienhafe) repariert und erweitert die Orgel ohne Erfolg. |
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1686 | Kontrakt mit Arp Schnitger (Hamburg) am 26.02.1686 über die Lieferung einer neuen Orgel mit 29 Stimmen (Oberwerk = Werck zwölf, Rückpositiv zehn, Pedal sieben) unter Wiederverwendung von zehn Stimmen und den vier Bälgen der alten Orgel. |
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1688 | Abnahme der Orgel am 25.01.1688: Über den Kontrakt hinaus verfertigt Schnitger ein Brustpositiv mit sechs neuen Stimmen. |
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1691–92 | Schnitger baut ein zusätzliches Oberpositiv mit acht Stimmen, das er an das Manual des Brustpositivs mit anhängt. |
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1838 | Stimmung der Orgel in gleichschwebender Temperatur (Rohlfs & Sohn, Esens). |
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1847 | Dispositionsänderung durch Einbau neuer, dem Zeitgeschmack entsprechender Register unter Aufgabe von 20 Originalregistern (Rohlfs, Lorentz, Diepenbrock, Bruns). |
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1864 | Neue Balganlage durch die Firma Gebr. Rohlfs (Esens). Erneute Dispositionsänderung durch Einbau neuer, dem Zeitgeschmack entsprechender Register unter Aufgabe von 20 Originalregistern (Rohlfs, Lorentz, Diepenbrock, Bruns). |
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1887 | Erneute Dispositionsänderung durch Einbau neuer, dem Zeitgeschmack entsprechender Register unter Aufgabe von 20 Originalregistern (Rohlfs, Lorentz, Diepenbrock, Bruns). |
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1888 | Neue Klaviaturen, Koppelung und Winkelstücke (Johann Diepenbrock, Norden). Erneute Dispositionsänderung durch Einbau neuer, dem Zeitgeschmack entsprechender Register unter Aufgabe von 20 Originalregistern (Rohlfs, Lorentz, Diepenbrock, Bruns). |
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1897 | Umgestaltung der Mechanik, zwei neue Koppeln (Christof Bruns, Norden). |
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1890–96 | Erneute Dispositionsänderung durch Einbau neuer, dem Zeitgeschmack entsprechender Register unter Aufgabe von 20 Originalregistern (Rohlfs, Lorentz, Diepenbrock, Bruns). |
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1901 | Erneute Dispositionsänderung durch Einbau neuer, dem Zeitgeschmack entsprechender Register unter Aufgabe von 20 Originalregistern (Rohlfs, Lorentz, Diepenbrock, Bruns). |
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1908–10 | Erneute Dispositionsänderung durch Einbau neuer, dem Zeitgeschmack entsprechender Register unter Aufgabe von 20 Originalregistern (Rohlfs, Lorentz, Diepenbrock, Bruns). |
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1915 | 60 neue Registerknöpfe (Christof Bruns, Norden). |
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1917 | Ausbau der Prospektpfeifen (drei Register und stumme Pfeifen) und Ablieferung für die Kriegsrüstung (Chr. Bruns, Norden). Erneute Dispositionsänderung durch Einbau neuer, dem Zeitgeschmack entsprechender Register unter Aufgabe von 20 Originalregistern (Rohlfs, Lorentz, Diepenbrock, Bruns). |
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1919 | Einbau neuer Prospektpfeifen aus Zink (Furtwängler & Hammer, Hannover). |
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1929–30 | Wiederherstellung der Orgel unter Beratung von Christhard Mahrenholz durch die Firma Furtwängler & Hammer: Wiederherstellung der ursprünglichen Disposition mit Schnitger-Mensuren aber neuen Fabrikpfeifen und unter Aufgabe der letzten beiden originalen Zungenregister, Erweiterung der Windstuben und -kanäle, teilweise Pneumatisierung der Traktur, pneumatische Erweiterung des Tonumfangs, neue Klaviaturen (jetzt vier Manuale, also ist das Oberpositiv vom Brustpositiv getrennt). |
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1948, 1957–59 | Restaurierungsarbeiten durch Paul Ott (Göttingen) nach Auslagerung der Orgel im Zweiten Weltkrieg: dabei neue Zusatzladen, Ersatz der pneumatischen durch eine moderne mechanische Traktur, neue Klaviaturen und Veränderungen am Pfeifenwerk. |
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1960 | In den 60er Jahren zunehmendes Auftreten erheblicher Schäden durch Austrocknen und Reißen des Holzes. |
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1981–85 | Restaurierung nach denkmalpflegerischen Maßstäben durch Jürgen Ahrend (Leer-Loga). Dabei sind einige Teile der Orgel zu rekonstruieren: Balganlage (zunächst drei von insgesamt sechs Keilbälgen) mit Windkanälen, Tremulanten und Sperrventilen, ein Teil der Mechanik, Klaviaturen, Registergriffe und -beschriftungen, 25 Register einschließlich der Prospektpfeifen und die erweitert mitteltönige, in den gebräuchlichen Tonarten besonders reine Stimmung. |
(Stand 22.05.2020; Literatur und Quellen: Reinhard Ruge)