Stade, St. Cosmae et Damiani

Orgel von Berend Huß und Arp Schnitger (1675)

Navigation: Cosmaekirchhof 5, 21682 Stade

Die Orgel in St. Cosmae et Damiani in Stade gilt als eine der berühmtesten Barockorgeln Europas und wird von Touristen aus aller Welt besichtigt. Fertiggestellt wird die Orgel im Jahr 1675, nachdem ein großer Stadtbrand 1659 die Kirche mitsamt der Vorgängerorgel vernichtet. Mit dem Orgelneubau wird Berendt Huß aus Glückstadt an der Elbe beauftragt, der seinen jungen Gesellen und Vetter Arp Schnitger mit nach Stade bringt. Die internationale Karriere Arp Schnitgers als Orgelbauer nimmt hier ihren Anfang. Mit der Fertigstellung der Orgel wird Vincent Lübeck als Organist an St. Cosmae tätig. Er wirkt bis 1702 in Stade und ist noch heute als Komponist bekannt.

Über die Jahrhunderte wird die Orgel durch die in Stade ansässigen Orgelbauwerkstätten Wilhelmy/Wilhelm und Röver behutsam gewartet und leicht umgebaut. Es erfolgt 1917 ein großer Eingriff in die Substanz, da die sichtbaren Zinnpfeifen (Prospektpfeifen) zu Kriegszwecken beschlagnahmt werden. Nach verfehlten Restaurierungen in der Folgezeit wird das Instrument 1975 durch die Orgelbauwerkstatt Jürgen Ahrend (Leer) wieder in seinen ursprünglichen Zustand zurückversetzt. Diese Restaurierung gilt als wegweisend für Maßnahmen dieser Art in der ganzen Welt.

Die Orgel mit 42 Registern auf drei Manualen und Pedal ist sehr deutlich in das prächtige Oberwerk, das darunter versteckte Brustwerk, das in den Raum hineinragende Rückpositiv und die beiden Pedaltürme links und rechts untergliedert. Insgesamt verbergen sich hier ca. 2500 Pfeifen (davon 115 aus Holz), von denen 154 sichtbar sind. Über der Orgel befinden sich ganz oben die drei christlichen Haupttugenden Glaube, Hoffnung und Liebe. Auf dem Rückpositiv hingegen ist König David mit seiner Harfe dargestellt.


Anm.:
originale Schreibweise der Register in der Einheit Fuß (’).
Anzahl der Pfeifenreihen gemischter Stimmen: z. B. 3fach (3f.).

Disposition:

(42 / HW/RP/BW/Ped)

Oberwerk

Rückpositiv

Brustwerk

 

Prinzipal

Quintadena

Octav

Gedackt

Octav

Rohr Flöt

Nassat

Octav

Mixtur

Cimbel

Trommet

Trommet

16’

16’

8’

8’

4’

4’

3’

2’

6f.

3f.

16’

8

 

A

H

H

H

H

H

H

H

H/A

A

S

H

Prinzipal

Quintadena

Rohr Flöt

Octav

Wald Flöt

Sieflöt

Sesquialter

Scharff

Dulcian

Trechter Regal

8’

8’

8’

4’

2’

11/2

2f.

5f.

16’

8’

 

H

H

H/A

H

H

A

A

A

H

H

Gedackt

Quer Flöt (ab c)

Flöt

Octav

Tertia

Nassat Quint

Sedetz

Scharff

Krumphorn

Schalmey

8

8

4

2

13/5

11/2

1

3f.

8

4

 

H

H

H

H

H

H/A

H/A

H/A

S

S/A

 


Pedal


Pfeifenwerk:

 

Prinzipal

Sub=Bass

Octav

Octav

Nachthorn

Mixtur

Posaun

Dulcian

Trommet

Cornet

16

16

8

4

1

5–6f.

16

16

8

2

 

H/A

H/A

H

H

H

H

H

A

H

A

H

S

A

=

=

=

1668–1675

1688

1975

Berendt Huß (Mitarbeit: S)

Arp Schnitger

Jürgen Ahrend

 


Technische Angaben:

 

Manualumfänge:

Pedalumfang:

Winddruck:

Tonhöhe:

Stimmung:

Koppeln:

6 alte Bälge:

Tremulant:

Glockenspiel:

C, D, E, F, G, A – c’’’

C, D, E – d’

82mmWS

1 Ganzton über heute normal (g’ = 446 Hz/a’ = 493 Hz)

mitteltönig (modifiziert mit 3 reinen Terzen)

Manualschiebekoppel: BW/OW

4 zur Zeit in Betrieb, auch von Bälgetretern zu bedienen

für das ganze Werk

vom OW aus spielbar, 1983 restauriert


Bau-/Restaurierungsgeschichte

1493

Es gibt einen ersten Hinweis auf eine Orgel.

 

 

1591

Hans Scherer d. Ä. wird beauftragt, einen Umbau der bestehenden Orgel durchzuführen.

 

 

1606

Der ehemalige Geselle Scherers, Antonius Wilde, wird mit einem umfangreichen Um- bzw. Neubau beauftragt.

 

 

1607

Die Maßnahme Wildes wird beendet.

 

 

1628

Hans Scherer d. J. arbeitet an der Orgel.

 

 

1635

Ein Orgelbauer aus Lübeck (Fr. Stellwagen?) arbeitet an der Orgel.

 

 

1656

Hans Riege aus Otterndorf führt eine umfangreiche Reparatur durch und baut etliche Register neu.

 

 

1659

Die Orgel wird bei dem großen Stader Stadtbrand vollständig zerstört.

 

 

1668

Nach dem Wiederaufbau der Kirche beginnt Berendt Huß mit dem Neubau einer Orgel. In seiner Werkstatt arbeitet sein Vetter und Geselle Arp Schnitger.

 

 

1675

Die Orgel wird fertiggestellt und Vincent Lübeck ist der erste Organist dieses Instruments.

 

 

1676

B. Huß stirbt in Stade und wird in St. Wilhadi beigesetzt. Schnitger übernimmt die Werkstatt und führt zusammen mit V. Lübeck als Berater mehrere Orgelbauprojekte durch.

 

 

1682

Schnitger gibt seine Stader Orgelbauwerkstatt auf und zieht nach Hamburg, da er den Auftrag zum Bau der großen Orgel für die Nikolaikirche (Hamburg) durchführen soll.

 

 

1688

Schnitger arbeitet nochmals an der Orgel in St. Cosmae, da die Emporenpfeiler abgesackt sind. Die Empore wird stabilisiert und die Orgel gerichtet. Außerdem nimmt er eine Änderung der Disposition vor.

 

 

1702

V. Lübeck verlässt Stade und wird Organist an der Nikolaikirche in Hamburg.

 

 

1781

Der aus Hessen stammende und in Stade tätige Orgelbauer Georg Wilhelm Wilhelmy repariert die Orgel und nimmt erste geringfügige Veränderungen vor. Ende des 18. Jahrhunderts wird ein Glockenspiel eingebaut, das vom Oberwerk aus spielbar ist.

 

 

1806

Nach dem Tod Wilhelmys führt sein Sohn Georg Wilhelm die Werkstatt seines Vaters und die Pflegearbeiten der Cosmaeorgel fort.

 

 

1870

Johann Hinrich Röver, der seine Werkstatt ebenfalls in Stade hat, arbeitet an der Orgel in St. Cosmae und nimmt Änderungen der Disposition vor. Er stimmt die Orgel durch umsetzen der Pfeifen tiefer und versetzt das Rückpositiv hinter die Orgel. Es sind die ersten Maßnahmen, die die Konzeption der Orgel verändern.

 

 

1917

Die sichtbaren, zinnernen Prospektpfeifen müssen im Rahmen der Beschlagnahmungen von Metall für Kriegszwecke abgegeben werden. Da das Rückpositiv hinter die Orgel versetzt worden ist, bleiben die Prospektpfeifen des Rückpositivs von dieser Maßnahme verschont.

 

 

1919

Die verlorenen Prospektpfeifen werden durch wenig qualitätsvolle Zinkpfeifen ersetzt.

 

 

1948

Die Firma Ott (Göttingen) beginnt eine Restaurierung der Orgel. Die durchgeführten Arbeiten sind typisch für die Zeit. Das Ergebnis stellt die Gemeinde aber nicht zufrieden und aus heutiger Sicht wird diese Restaurierung als verfehlt angesehen.

 

 

1975

Eine umfassende Restaurierung der Orgel geht durch die Orgelbauwerkstatt Jürgen Ahrend (Leer/Ostfriesland) zu Ende. Die Orgel kann in einen Zustand versetzt werden, der dem ihrer Erbauungszeit entspricht. Seither gilt das wertvolle Instrument als eines der bedeutendsten großen Orgelwerke aus dem 17. Jahrhundert.

 

 

1993/94

Während einer Überarbeitung der Orgel nach einer umfassenden Kircherestaurierung kann das Instrument in manchen Punkten noch weiterhin verbessert werden.

 

 

2007

Die alte Farbfassung der Orgel aus dem Jahr 1727 wird durch D. Wellmer (Himbergen/Uelzen) wiederhergestellt.

 


(Stand 25.02.2022)

error: Der Inhalt ist geschützt.