Orgel von Arp Schnitger (1709/10) und Johann Friedrich Wenthin (1779–1782)
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Die ehemalige St.-Georgskirche (Kirchplatz in Weener) wird um das Jahr 1230 erbaut. Der Glockenturm steht separat (1738 erbaut) und der vieleckige Chor wird von 1462 an errichtet. Mehrere An- und Umbauten bringen die Kirche in ihre heutige Form (seit der Renovierung 1972). Beachtenswert sind die Renaissance-Kanzel aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts und die ältesten Grabplatten Ostfrieslands (romanisch und gotisch).
Die Orgel der ev.-ref. Georgskirche in Weener ist ein Spätwerk Arp Schnitgers (1710), an dem bereits seine Söhne mitwirken. Eine Erweiterung um ein Brustwerk und die Pedaltürme findet von 1779 bis 1782 durch Johann Friedrich Wenthin statt.
Nach weiteren Umbauten und Restaurierungen verfügt das Instrument heute über 29 Register, zwei Manuale und ein Pedal. Die Gehäuse aus dem 18. Jahrhundert sind noch original erhalten. Die Orgel in Weener scheint das letzte Beispiel für frei stehende Pedaltürme zu sein. Ungewöhnlich ist ihr äußeres Erscheinungsbild auf der einen Seite durch die strenge schnitgersche Formgebung in den beiden Manualwerken und auf der anderen Seite durch die geschwungenen Pedaltürme sowie auch die zeitgleich entstandene Emporenbrüstung im Rokokostil. Im Rückpositivgehäuse befinden sich die Registerzüge für das Rückpositiv. Aufgrund der Umbauten im 19. Jahrhundert und der Anpassungen an den Zeitgeschmack geht ein Großteil des Pfeifenmaterials des 18. Jahrhunderts jedoch verloren. Die sehr guten Manualklaviaturen von Rohlfink mit dem großen Umfang (C – f''') werden bei der Restaurierung aber beibehalten, um die Wiedergabe von Orgelmusik aus dem 19. Jahrhundert zu ermöglichen und die sechs originalen Schnitgerregister befinden sich in einem sehr guten Zustand. Im Pedal sind noch der hölzerne Subbass und von den drei Zungenregistern die Kehlen, Köpfe und Zungen aus dem 19. Jahrhundert erhalten. Allerdings sind die Becher neu.
Bei den Restaurierungen geht es nicht um die Rekonstruktion des Zustands aus dem 18. Jahrhundert, sondern um eine Wiederherstellung der alten Klangverhältnisse unter Verwendung des historischen Materials. Die Schnitgerorgel in Uithuizen dient Vierdag bei der Rekonstruktion 14 neuer Register als Vorbild. Diese Restaurierung bleibt allerdings unbefriedigend. Erst durch Jürgen Ahrend gelingt die technische und klangliche Fertigstellung im Rahmen eines überzeugenden Gesamtkonzepts, das sich am Ideal des Schnitgerklangs orientiert. Vox humana 8’ und Dulcian 8’ werden nach Uithuizen, die Trompete 8’ nach St. Cosmae in Stade rekonstruiert.
Anm.: originale Schreibweise der Register in der Einheit Fuß (’).
Anzahl der Pfeifenreihen gemischter Stimmen in römischen Zahlen.
Disposition:
(29 / HW/RP/Ped)
I Rugpositief | II Manuaal | Pedal | |||||||||||
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Praestant Holpyp Quintadena Holpyp Octaav Woudfluyt Quint Sexquialter Scherp Dulciaan | 4’ 8’ 8’ 4’ 2’ 2’ 11/2’ II IV 8’ |
| P, r o r r o r r r r rr | Praestant Quintadena Holpyp Octaav Spitsfluyt Nasat Super Octaav Mixtuur Cimbel Trompet Vox humana | 8’ 16’ 8’ 4’ 4’ 3’ 2’ IV–VI III 8’ 8’ |
| P, r o r o o r o r rr rr rr | Praestant Subbas Octaav Super Octaav Mixtuur Bazuyn Trompet Trompet | 8’ 16’ 4’ 2’ IV 16’ 8’ 4’ |
| P, r H, + r rr r +/r +/r +/r | ||
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Pfeifenwerk: | |||||||||||||
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o + (+) ++ r/n rr | = = = = = = | 1709/1710 1779–1782 spätes 18. Jhd. 1872–1877 1972–1977 1978–1983 | Arp Schnitger & Söhne (original) Johann Friedrich Wenthin J. Courtain (?): Ped-Windladen und -Zungen Firma Gebr. Rohlfing H. J. Vierdag (restauriert, neu) Jürgen Ahrend | ||||||||||
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Manualumfang: Pedalumfang: Winddruck: Tonhöhe: Stimmung: Koppeln: Gehäuse: Klaviaturen: Windladen: Magazinbalg: Tremulant: | Rp: CDE – f''', HW: C – f''' C – d' 72mmWS ca. 1/2Ton über normal wohltemperiert (nach Werckmeister) Manualkoppel: r Man/Rp: o, Ped: + Man/Rp: ++, Ped: rr Man/Rp: n, Ped: + r rr |
Bau-/Restaurierungsgeschichte
1709/10 | Die Orgel wird mit Hauptwerk, Rückpositiv und angehängtem Pedal gebaut. Franz Caspar Schnitger verfertigt das Gehäuse in Neuenfelde, worauf eine Kreide-Inschrift im Mittelturm verweist. Im Hauptgehäuse bleibt Raum für ein später einzubauendes Brustwerk. Das Pfeifenwerk stammt wahrscheinlich aus der Hamburger Werkstatt Arp Schnitgers. Aufgestellt wird die Orgel von Arp Schnitger d. J. und dem Gesellen Niclaes Stoever auf dem gotischen Lettner (einer architektonischen Abtrennung in der Kirche). |
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1779–82 | Johann Friedrich Wenthin erweitert und repariert die Orgel und versetzt sie auf eine neue Empore vor dem Chorraum. Freie Pedaltürme und ein Brustwerk werden ergänzt, sodass die Orgel nun über 37 Register und drei Manuale verfügt. |
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1872–77 | Eingreifender Umbau durch die Firma Gebr. Rohlfing (Osnabrück): Das Brustwerk wird aufgegeben, das Rückpositiv als Hinterwerk hinter das Hauptgehäuse verlegt und die Registerzahl sinkt auf 23. |
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1927–28 | Die Orgel wird schließlich unter dem Einfluss der „Orgelbewegung“ (neobarocke Reformbewegung im Orgelbau) wieder instandgesetzt. |
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1952 | Das Rückpositiv wird von Alfred Führer (Wilhelmshaven) im Rahmen einer umfassenden Restaurierung wieder zum Klingen gebracht. Außerdem stellt dieser die Disposition des 18. Jahrhunderts unter Verwendung von Pfeifenmaterial aus dem 19. und 20. Jahrhundert wieder her. |
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1972–78 | Die prächtige rote Farbgebung von 1782 wird wiederhergestellt und die Firma Hendrik Jan Vierdag (Enschede/NL) führt verschiedene Restaurierungsarbeiten durch. Außerdem erstellt diese neue Windladen und einen Magazinbalg sowie eine neue Spiel- und Registermechanik, ohne aber immer konsequent nach historischen Prinzipien vorzugehen. Die Pfeifenmacherei Steffani (Herten) rekonstruiert die innerhalb der letzten 100 Jahre entfernten Register des 18. Jahrhunderts. Im Pedal werden einige Register des Orgelbauers C. Haupt (1810 bis 1898, Ostercappeln) aus einer Orgel in Gildehaus (von 1864 bis 1866) verwendet. |
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1978–83 | Durch Jürgen Ahrend (Leer-Loga) kann die Restaurierung abgeschlossen werden, da dieser die Manualzungen, einige Labialregister und die Traktur, Windversorgung, Pedalklaviatur sowie zwei Tremulanten rekonstruiert. |
(Stand 22.05.2020; Literatur und Quellen: www.reformiert.de, Abrufdatum 23.12.2009; www.wikipedia.de, Abrufdatum 23.12.2009)